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Über und unter der Erde:

Funde des Geologen Ludwig Brackebusch

Ludwig Brackebusch (1849-1906). Aus: Castellanos 1970

"Die Schwierigkeiten und Gefahren, die uns die schauderhaften Wege bereiteten, wurden kompensiert durch die herrlichsten und großartigsten Schneelandschaften, die sich vor unseren Augen entrollten, zu diesen […] gehörten die Penitentesfelder, welche in prachtvoller Entwicklung hier auftraten", schrieb 1893 der deutsche Geologe und Mineraloge Ludwig Brackebusch (1849–1906) in der Zeitschrift "Globus. Illustrierte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde". Er machte damit auf ein einzigartiges und ungewöhnliches Naturphänomen aufmerksam. In seinem Aufsatz "Die Penitentesfelder der argentinischen Kordilleren" erläutert er Aussehen und Entstehung "eigentümlicher Schneebildungen", die er während seiner zahlreichen Expeditionen durch die Anden Nordwestargentiniens eingehend untersucht hatte.

Penitentes, gezeichnet von Karl Oenike. Aus: "Globus", 1893

Penitentes, gezeichnet von Karl Oenike. Aus: "Globus", 1893

Penitentesfelder oder Büßerschneefelder sind Ansammlungen säulenartiger Eisgebilde, die in subtropischen Hochgebirgslagen unterhalb der Firngrenze auftreten. Sie entstehen im Verlauf eines unregelmäßigen Tauprozesses, der die Schneerückstände in Eissäulen verwandelt. Die bizarren Formen dieser oft meterhohen Gebilde wirken von weitem wie bekleidete menschliche Figuren, die in der Einöde ihre Sünden büßten und dabei erstarrt sind.

Ein Penitentesfeld in den Anden. ©SLF Davos, B. Zweifel 1999

Ein Penitentesfeld in den Anden. ©SLF Davos, B. Zweifel 1999

Brackebusch hatte während seiner langjährigen Arbeit in Argentinien mehrfach Gelegenheit, Penitentesschnee zu untersuchen. Von 1875 bis 1888 hatte er an der Universität Córdoba den Lehrstuhl für Mineralogie inne und leitete das daran angeschlossene Mineralogische Museum. Brackebusch hatte diese Position auf Initiative Hermann Burmeisters (1807-1892) angetreten, der im Auftrag der argentinischen Regierung deutsche Wissenschaftler anwarb, um an der Universität Córdoba eine naturwissenschaftliche Fakultät aufzubauen. In den Sommermonaten erkundete Brackebusch die Gebirge seiner Wahlheimat. Dabei drang er in die kaum erforschten nordwestargentinischen Kordilleren vor, die er topographisch und geologisch kartierte und wo er zahlreiche mineralogische und geologische Proben sammelte. Von besonderer geopolitischer Bedeutung war seine Erkundung der Gebirgspässe in den Grenzregionen zu Chile. Zudem untersuchte Brackebusch im Auftrag der Regierung das ökonomische Potential - besonders die Erdölvorkommen - der an Bodenschätzen reichen Andenregion Argentiniens.

Titelblatt der "Mapa geológico del interior de la República Argentina", 1891. Foto: Antje Dittmann 2009.

Das bedeutendste Ergebnis seiner Expeditionen war die erste geologische Karte Argentiniens, die 1891 in Gotha als "Mapa geológico del interior de la República Argentina" in einer deutschen und einer spanischen Ausgabe gedruckt wurde. Damit verfügte Argentinien über eine zu der Zeit außergewöhnliche Grundlage für die Erschließung seiner Bodenschätze.

"Mapa geológico del interior de la República Argentina", 1891. Foto: Antje Dittmann 2009

"Mapa geológico del interior de la República Argentina", 1891. Foto: Antje Dittmann 2009

Bevor Brackebusch nach Südamerika gegangen war, hatte er 1872 bis 1875 im Harz geognostische Kartierungen für die Königlich-Preußische Geologische Anstalt vorgenommen. Dabei lernte er deren kartographisches Regelwerk kennen. Bei der Erstellung der ersten geologischen Karte Argentiniens griff er auf dieses Regelwerk und die im Harz gemachten Erfahrungen zurück. Ergänzend zeichnete Brackebusch in diese geologische Karte seine gesamten Reiserouten sowie die seiner bedeutenden Vorgänger ein, darunter die von Hermann Burmeister und von Alfred Stelzner (1840-1895), dem ersten Inhaber des Lehrstuhls für Mineralogie an der Universität Córdoba.

Brackebuschit. ©Stefan Wolfsried 2009

Brackebuschit. ©Stefan Wolfsried 2009

Voraussetzungen für die Erstellung der geologischen Karte waren topographische Messungen und die Kartierung aller vorkommenden Oberflächengesteine. Ergänzend legte Brackebusch große Gesteins- und Fossiliensammlungen an. Die Mehrheit dieser Sammlungen gab er an das Mineralogische Museum der Universität Córdoba. Kleinere Kollektionen schickte er aber auch an deutsche Museen. Eines dieser Museen ist das heutige Museum für Naturkunde in Berlin, welches rund 1700 Gesteins- und Mineralienproben von Brackebusch erhielt.

Brackebuschit. ©Stefan Wolfsried 2009

Brackebuschit. ©Stefan Wolfsried 2009

Heute trägt eine Gruppe von Mineralien Brackebuschs Namen. Proben dieser weltweit vorkommenden "Brackebuschite" [Pb2(Mn2+,Fe2+)(VO4)·2H2O] finden sich auch in der Sammlung des Museums für Naturkunde in Berlin.

(Beatrix Hoffmann)

Literatur:

  • Brackebusch, Ludwig. 1882. La provincia de Jujuy. República Argentina. Buenos Aires: Stiller y Laass.
  • Brackebusch, Ludwig. 1891a. Reisen in den Kordilleren der Argentinischen Republik. In: Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin 18:53-79.
  • Brackebusch, Ludwig. 1891b. Mapa geológico del interior de la República Argentina. Construido sobre los datos existentes, y sus proprias observaciones hechas durante los años 1875 hasta 1888. Escala 1:1.000.000. Gotha: Instituto Geográfico Hellfahrt, editado por la Academia Nacional de Ciencias de Córdoba.
  • Brackebusch, Ludwig. 1892. Die Cordillerenpässe zwischen der Argentinischen Republik und Chile vom 22.-25. Grad. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin 27:249-348.
  • Brackebusch, Ludwig. 1893a. Die Bergwerksverhältnisse der Argentinischen Republik. In: Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im Preußischen Staate 41:1-33.
  • Brackebusch, Ludwig. 1893b. Die Penitentesfelder der argentinischen Kordilleren. In: Globus. Illustrierte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde 63:1-6 und 32-35.
  • Brackebusch, Ludwig. 1966a. Las condiciones de la minería en la República Argentina. In: Boletín de la Academia Nacional de Cíencias de Córdoba 45:225-281.
  • Brackebusch, Ludwig. 1966b. Viajes en las Cordilleras de la República Argentina. In: Boletín de la Academia Nacional de Ciencias de Córdoba 45:197:224.
  • Brackebusch, Ludwig. 1981. Por los caminos del Norte. Tucumán: Colegio de Graduados en Ciencias Geológicas de Tucumán.
  • Castellanos, Alfredo. 1970. Influencia de los científicos alemanes en el desarrollo de las ciencias naturales en la Argentina. In: Notas del Instituto de Fisiografía y Geología, Universidad Nacional de Rosario 5:1-36.