Ein liebevoller Blick auf Mexiko
vor hundert Jahren
"Für heut nur noch einige Fragen: Was ist eigentlich im Morlake für ein Wesen? und was sind glagolitische Buchstaben?"
aus einem Brief Caecilies an Eduard, 1884
In einem Brief vom 19.9.1884 schrieb Caecilie Seler-Sachs (1855-1935) an Eduard Seler (1849-1922), den Begründer der modernen Mexikanistik, wie wichtig es ihr war und wie glücklich es sie machte, ihm nicht nur Geliebte und Frau, sondern auch Freundin und Mitarbeiterin zu sein.
Eine großartigere Mitarbeiterin hätte sich kein Wissenschaftler wünschen können: Caecilie hatte eine hervorragende Bildung genossen und wurde im Lauf der gemeinsamen Jahre selbst zur Wissenschaftlerin. Neben dem nur schwer zu kalkulierenden Anteil am Werk ihres Mannes hatte sie fast 40 eigene Publikationen, darunter zwei sehr erfolgreiche Bücher: 1900 eines über ihre Reisen "Auf alten Wegen in Mexiko und Guatemala" und 1919 ein zweites über das bis dato völlig vernachlässigte "Frauenleben im Reiche der Azteken", beide bei Dietrich Reimer in Berlin erschienen.
Anders als der vor allem archäologisch, linguistisch und ikonografisch arbeitende Eduard Seler war Caecilie eher ethnologisch interessiert, nämlich am gegenwärtigen Alltagsleben der Menschen ihrer Umgebung; - diese Ausrichtung scheint bei allen ihren Arbeiten durch.
Sympathie und Anteilnahme an den persönlichen Problemen ihrer Reisegefährten, Gastgeber und Informanten - die auch Eduard Seler nicht gefehlt haben - schlagen sich bei ihr auch in den publizierten Texten nieder, ebenso wie die schwärmerische Begeisterung für das Land Mexiko. Ein Kapitel ihres Reiseberichts von 1925 endet mit dem Satz: "Den Schlangen, Kriegern und Göttern von Xochicalco, seinen Kolibris, Adlern und duftenden Blumen, all seiner Schönheit - der ganzen Idylle ein herzliches Lebewohl!"
Caecilie begleitete Eduard bei all seinen sechs Amerikareisen zwischen 1887 und 1911. Wenn ihr Mann wegen einer Krankheit unbeweglich war, unternahm sie - nur in Begleitung eines Indianers - lange Ritte zu Ruinenstätten im Urwald, um sie zu dokumentieren. Sie war eine hervorragende Fotografin und begabte Zeichnerin. Viele Illustrationen in Selers Werken stammen von ihr, noch mehr hat sie koloriert, immer mit einem sicheren Auge für feinste Nuancen: Das war - lange vor der allgemeinen Verbreitung der Farbfotografie - eine wertvolle Begabung. Bei ihren Reisen fertigten die Selers gemeinsam unzählige Skizzen von archäologischen Objekten aus Museen und Privatsammlungen an. Nach Selers Tod edierte Caecilie noch große Teile seiner Arbeiten: Sie fungierte als Herausgeberin des 4. Bandes seiner "Gesammelten Abhandlungen zur amerikanischen Sprach- und Alterthumskunde" (1923).
Das Gesamtwerk Selers, das den Anfang der deutschen Altamerikanistik bildet, ist ohne den Beitrag von Caecilie Seler-Sachs nicht vorstellbar.
- Kurzbiografie Caecilie Seler-Sachs
- Publikationen von Caecilie Seler-Sachs in der Bibliothek des Ibero-Amerikanischen Instituts, Berlin.
- Nachlass Eduard Selers im Ibero-Amerikanischen Institut, Berlin
Literatur über Caecilie Seler-Sachs:
- Dolinski, Eckehardt, Renata von Hanffstengel, Cecilia Tercero Vasconcelos (Hg.) 1998. Caecilie Seler-Sachs (1855-1935). Una mirada amorosa al México de hace 100 años. [Ausstellungskatalog] México: Instituto de Investigaciones Interculturales Germano-Mexicanas A.C.
- Hanffstengel, Renata von. 2003. Valores estéticos en la fotografía y los escritos de Caecilie Seler-Sachs. In: Hanffstengel und Tercero Vasconcelos (Hg.) 2003:293-324.
- Hanffstengel, Renata von, und Cecilia Tercero Vasconcelos (Hg.) 2003. Eduard y Caecilie Seler: Sistematización de los estudios americanistas y sus repercusiones. México: UNAM et al. [vollständiges Schriftenverzeichnis von Caecilie Seler-Sachs auf S. 393-404.]
- König, Viola. 2003. Eduard Seler y Caecilie Seler-Sachs en Oaxaca. In: Hanffstengel und Tercero Vasconcelos (Hg.) 2003:325-336.